Haushaltsrede des FW-Fraktionsvorsitzenden

Stellungnahme zum Haushaltsplan 2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Seibold, verehrte Kolleginnen/Kollegen

 

Einführung          

Der Paradigmenwechsel ist geschafft.

Mit dem NKHR wird das bisherige kamerale Haushaltswesen abgelöst

Da die Kameralistik – im Gegensatz zur Doppik – nicht in der Lage ist, Ressourcenverbrauch und Ressourcenaufkommen gegenüberzustellen, kann auf Basis kameraler Daten keine Aussage zur Generationengerechtigkeit der Haushaltswirtschaft getroffen werden. Dies ist bei der Doppik möglich. Durch die Gegenüberstellung von Resourcenverbrauch in Form von Aufwendungen und Resourcenaufkommen in Form von Erträgen ist die Generationen-gerechtigkeit gewahrt, wenn die Erträge die Aufwendungen decken oder übersteigen. Durch die in den Aufwendungen enthaltenen Abschreibungen von Anlagegütern und Vermögen wird deren Wertverzehr auf die Nutzungsdauer verteilt, so dass sie nach deren Ablauf refinanziert sind. Wenn beispielsweise das Gebäude der Gemeinschaftsschule jährlich mit 210000 Euro abgeschrieben wird, ist es nach 50 Jahren refinanziert.

Dass die Gesamtsituation unserer Stadt so ist, wie sie ist, nämlich geordnet und gut, zeigt

  • die weiterhin gute Einnahmesituation
  • ein hohes Niveau an städtischen Dienstleistungenin allen Bereichen, für die die Stadt zuständig ist
  • hoheInvestitionenin Unterhaltsmaßnahmen und in Baumaßnahmen
  • bisher keine neuen Schulden

Wir waren im bisherigen kameralen Systemhaushaltspolitisch nicht im Blindflug unterwegs.

 

Aber:

Der Dreiklang aus Vermögensrechnung, Ergebnisrechnung und Finanzrechnung liefert einfach noch mehr Informationen und damit einen vollständigeren Überblick über die Situationder Stadt.

Die Vermögensrechnung in Form der Bilanz, in der die Vermögenswerte als Mittelverwendung und die Verbindlichkeiten als Mittelherkunft dargestellt werden. In die Bilanz bringt die Ergebnisrechnungihren Saldo als Eigenkapitalmehrung (bei Gewinn) oder als Eigenkapitalminderung (bei Verlust) sowie die Finanzrechnungihren Saldo als Zu- oder Abnahme des Umlaufvermögens (liquide Mittel) ein.

Als Gemeinderätinnen und Gemeinderäte konnten wir uns in mehreren Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen auf die Umstellung und auf den heutigen Tag vorbereiten. Dabei müssen wir das Zahlenwerk ja nur lesen und möglichst verstehen.

Sie, die Verwaltung, vor allem die Finanzverwaltung mussten ja die Umstellung vornehmen, also nicht nur verstehen, sondern auch machen. Ich weiß nicht, ob wir den Aufwand und Einsatz ermessen können, den Sie alle bringen mussten.

Ob da im Laufe der Umstellung auch mal Panik und schlaflose Nächte dabei waren, davon haben wir jedenfalls nichts mitbekommen. Sie haben das souverän, kompetent und unaufgeregt gemeistert. Dafür gebührt Ihnen allen Dank und höchste Anerkennung.

 

Die konkreten Anmerkungen zum Haushalt 2020

Das zurückliegende Jahr 2019wird vermutlich wieder ein sehr gutes Ergebnisbringen, vor allem die erneut höheren Gewerbesteuereinnahmen sind dafür verantwortlich. Zusätzlich Schulden mussten nicht aufgenommen werden.

Auch im Haushaltsplan 2020 kann zunächst, wie schon erwähnt, von der Fortsetzung wichtiger positiver Eckdaten ausgegangen werden:

Stabil gute Einnahmen, hohe Qualität an städtischen Dienstleistungen, sehr hohe Investitionenin Unterhaltungsmaßnahmen und Bautätigkeit.

Aber

  • Der Ergebnishaushalt liefert keinen Beitrag zur Kapitalmehrung. Bereinigt man den ausgewiesenen Verlust um die Abschreibungen, kommt man in etwa auf 0. Das bedeutet, dass kein Beitrag zur Innenfinanzierung erwirtschaftet wurde und man Kapital von außen in Form von Krediten zuführen muss. Der Kreditbedarf wird mit 3 Mio angesetzt (Zahlungsmittelbedarf aus Verwaltungstätigkeit+ Finanzmittelbedarf aus Investitionen)
  • nationale wie internationale Unwägbarkeitennehmen zu. Zu den bisherigen Risikofaktoren Dieselkriese/Umstrukturierung der Industrie, vor allem in der Automobil- und Maschinenbauindustrie, Handelskonflikte, Brexit kommt jetzt noch die Corona-Krise hinzu. Durch die globalen Verflechtungen strahlt dies auch auf unsere Volkswirtschaft aus. Die Einschätzungen von Experten, aber auch die Reaktionen an den Börsen sind inzwischen besorgniserregend.

Diese Risiken können sich auf unsere jährlichenFinanzplanungen auswirken. Planungen werden schwieriger, da sich wesentliche Parameter von Jahr zu Jahr verändern können.

 

Waren wir bisher in der Finanzplanung bei Gewerbesteuereinnahmen von jährlich 7,5 Mio Euro bis 2022 von keiner weiteren Verschuldungausgegangen, müssen wir jetzt, wie schon erwähnt, für das laufende Jahr eine zusätzliche Verschuldung von 3 Mio Euro einplanen .

Dass wir wieder, wie in den vergangenen Jahren mit einer besseren als der geplanten Einnahmesituation und damit auf den Verzicht einer zusätzlichen Kreditaufnahme rechnen können, wäre angesichts der Risiken vermessen.

Da es in den verschiedenen Vorbesprechungen und in der Vorberatung überwiegend Übereinstimmung unter den Fraktionen gab, möchte ich nicht auf die vielen Planzahlen eingehen, sondern einige Haushaltspositionen und kommunalpolitische Handlungsfelder im Ergebnishaushalt sowie im Finanzhaushalt kommentieren.

 

Erträge im Ergebnishaushalt

Die Gewerbesteuer

Grundlage für einen handlungsfähigen Haushalt sind die Einnahmen

Wie schon mehrfach erwähnt, haben sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten durch die genannten nationalen und internationalen Rahmenbedingungen erheblich eingetrübt. Ob sich die jetzt schon wahrnehmbare Konjunkturabkühlung zu einer Rezession auswächst, ist nicht einfach zu prognostizieren.

Bleibt zu hoffen, dass für die nächsten vier Jahre stabile Gewerbesteuereinnahmeneingehen, zumindest keine Einbrüche zu verzeichnen sein werden.

Nach dem Tief bei der Gewerbesteuer in den Jahren 2014 und 2015 folgte in den Jahren 2016 bis 2019 eine Konsilidierung auf hohem Niveau, die Erwartungen wurden jeweils übertroffen.

Der Ansatz für die Gewerbesteuer 2020 in Höhe von 7,5 MioEUR ist folgerichtig/realistisch.

 

Anteil an der Einkommens- und Umsatzsteuer und Schlüsselzuweisungen

Beim Anteil an der Einkommenssteuer ist eine Steigerung auf 7,3 MioEuro zu erwarten, bei der Umsatzsteuerwird der Anteil auf etwa eine Million (1,2 Mio Euro) geschätzt.

Für die Ermittlung der Anteile an der Einkommen- und Umsatzsteuer wird die Einwohnerzahl zugrunde gelegt.

Allseits wahrnehmbar ist der Mangel an Wohnraum, nicht nur in Ballungszentren, auch in ländlichen Gebieten. Wir sehen das auch in der mehrfachen Überzeichnung der angebotenen Bauplätze im Stadtgebiet durch bauwillige Interessenten.

Unsere Fraktion ist nicht reflexartig skeptisch, wenn es um die Ausweisung von Bauland geht. Die Nachfrage ist mehr als vorhanden, daher begrüßen wir, dass es bis auf Pappelau in allen Ortsteilen gelungen ist, kurz und mittelfristige Perspektiven für Bauwillige anzubieten. Baugebiete können und müssen heute so geplant werden, dass umwelt- und artenschutzbelange einbezogen werden.Nachdem in den Gebieten in Gerhausen und Beiningen mit der heutigen Vergabe der Erschließungsarbeiten die Realisierung beginnt, solltemöglichst zügig die Umsetzung weiterer Gebiete(z. B. Asch) angegangen werden. Abzuwarten bleibt, wie sich die Neuregelung der Schutzabstände bei aufgegebener Tierhaltung in den Dörfern für die Innenentwicklung auswirkt.

Auch in der Kernstadt gelingt es durch Nachverdichtungen und Umnutzungen Wohnraum zu schaffen.

Bei den Schlüsselzuweisungen, die zeitversetzt an den Einnahmen vor zwei Jahren bemessen werden, wirken sich die stabilen Einnahmen der vergangenen Jahre aus. Sie sind bei über 3,6 Mio Euro stabil.

 

Aufwendungen im Ertragshaushalt

Personalkosten

In jedem Haushalt der letzten Jahre waren die Personalkosten beziehungsweise deren Anstieg ein Thema.

Wenn die Personalkosten aber von einem Jahr zum nächsten um fast 20% zunehmen, lässt das aufhorchen, es muss Gründe geben.

Ein hoher Grad an Dienstleistungenim Pflichtbereichwie z. B. Kinderbetreuung, Bildung, auch im freiwilligen Bereichsowie die Bereitstellung von Infrastruktursorgen für eine gute Lebensqualität und bieten eine attraktive Standortqualität.

Ein gestiegenes Anspruchsdenkenund Rechtsempfindender Bürgerinnen und Bürger in Verbindung mit komplexeren Rechtsvorgabenauf allen Verwaltungsebenen, zusätzliche Aufgaben, die von übergeordneten Ebenen den Kommunen aufgelastet werden, schlagen sich jetzt in 10,1 MioPersonalkosten nieder. Vor einem Jahr war noch mit 8,8 Mio Euro geplant worden.

Wie erwartet hat die Organisationsuntersuchungder Gemeindeprüfungsanstalt Hinweise gegeben, aber keine Einsparpotentialeermittelt, was auch nicht das primäre Ziel war. Notwendige Anpassungen bei der Eingruppierung der Mitarbeiter schlagen sich natürlich auch in den Personalkosten nieder.

Wie in der Vergangenheit mehrfach betont sind Personalkostenimmer mit Leistungen für die Bürger*innenverbunden. Wenn man von Einsparmöglichkeiten bei den Personalkosten spricht, muss man sich dazu bekennen, welche Leistungen man dann in Frage stellt.

 

 

 

Umlagen an Land und Kreis

Die in den zurückliegenden Jahren konstant gut Einnahmesituation führt auch dazu, dass die Umlagen an das Land und den Kreiskeine Sprünge machen und stabil bei zusammen um die 9 Mio Euro betragen

 

Insgesamt weist der Ergebnishaushalt, wie schon erwähnt einen Fehlbetrag in Höhe von 2,6 Mio Euro aus. Laut Finanzplanung bleibt in den folgenden Jahren ein Verlust von um die 2 Mio euro. Dieses strukturelle Defizithatten wir schon in früheren Verwaltungshaushaltenerkannt. Unsere Aufgabewird sein, in allen Teilhaushalten in den Produktgruppen nach Möglichkeiten zu suchen, dieses strukturelle Defizit abzubauen.

 

Finanzhaushalt

Im Finanzhaushaltsind für Investitionen gut 21 MioEuro Auszahlungen eingeplant, denen gut 16 Mio Euro an Einzahlungen gegenüberstehen. Zusammen mit dem Zahlungsmittelbedarf für Verwaltungstätigkeit von gut 1,1 Mio Euro ergibt dies einen Finanzierungsbedarf von 6,1 Mio Euro. Dieser wird aus liquiden Mitteln und einem Darlehen von 3 Mio Euro gedeckt.

 

Bei den Investitionen in Unterhaltungsmaßnahmen in Höhe von ca 1,7 Mio Eurowird das Niveau der letzten Jahre in etwa gehalten. Neben vielen Positionen, die aufgrund von Wartungs- und Serviceverträgen vorgegeben sind sticht die Sanierung der Mehrzweckhalle in Aschfür die nächsten 3 Jahre heraus. Nachdem der ELR-Bescheid im zurückliegenden Verfahren negativ beschieden wurde, bleibt zu hoffen, dass es noch eine Möglichkeit im nächsten Verfahren gibt.

 

Investitionen in Bautätigkeit. steigern die Standortqualität für Unternehmen ebenso die Wohn- und Lebensqualität für die Bevölkerung sowie die Aufenthaltsqualität für unsere Gäste

Investitionen werden also in vielen Bereichen getätigt, etwa in Infrastruktur, Bildung oder Gemeinschaftseinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, Touristikund weitere.

Mit der Summe 19 Mio. Euro ist der Haushalt 2020 ein ausgesprochener Rekordinvestitionshaushalt, wenn auch der Löwenanteil von über 8,8 Mio Euro auf den Breitbandausbau entfällt, der mit ca. 90% bezuschusst wird.

Mit dieser Investition macht die digitale Infrastrukturim Stadtgebiet wirklich einen Sprung nach vorne. Weiße Flecken in der Geschwindigkeit der Datenübertragung verschwinden, an den betroffenen Stellen wird Glasfaser bis zum Gebäude Wirklichkeit.

Wie schon in der Vergangenheit werden im Haushalt 2020 auch andere Handlungsfelder bei Investitionen berücksichtigt wie z. B.

Ø Kinderbetreuung (KiGaNeubau in Seißen, KiGa-Erweiterung Pusteblume in Blaubeuren , Sonderbuch 4.100.000
Ø Baugebieten Beiningen, Erstetten, Gerhausen 2.000.000
Ø Feuerwehr 480.000
Ø Themenwege zu Weltkulturerbestätten 500.000
Ø Sanierung Blautopfareal 300.000
Ø ökol. Verbesserung der Ach 170.000
Ø Radwege Hessenh./Geh-/Radweg Halle am Schinderw. 200.000
Usw….  

 

Der Investitionsplan bis zum Jahr 2023 zeigt, dass die Räder nicht still stehen werden, dass wir unsere Stadt kontinuierlich weiterentwickeln werden, vorausgesetzt, der finanzielle Spielraum bleibt uns erhalten.

 

Darüber hinaus stehen noch viele Vorhaben auf der „toDo-Liste“

Damit werden wir uns ja auf unserer Klausurtagung am Wochenende beschäftigen. Vor allem auch damit, wie und in welcher Reihenfolge wir weitere Projekte angehen wollen.

 

Beispielhaft möchte ich nur die Stichworte

Weiterentwicklung der Kinderbetreuung

  • Feuerwehrbedarfsplan, Gerätehäuser, ggf. Verlagerung des Gerätehauses in der Tallage. Dieses Thema ist auch prägend für die Entwicklung der Kernstadt, wenn die Fläche in der Weilerstraße durch eine evtl. Verlagerung des Feuerwehrgerätehauses frei wird. Damit in Zusammenhang steht dann eventuell auch das Bauhofareal.
  • Innenstadtentwicklung
  • Abbruch/Umnutzung des Hauptschulgebäudes
  • Busbahnhof
  • Schauhöhlen
  • :

 

Fazit:

In Ihrer Schlussbetrachtung schreiben Sie, dass es gelungen ist, das Schiff Stadt Blaubeuren trotz Turbulenzen sicher in den neuen Hafen DOPPIKzu bringen.

Betrachtet man die zurückliegenden Jahre und diesen Haushalt 2020sowie den Ausblick auf die Zukunft, kommen wir zu dem Schluss:

Den Kurs, den das Schiff Stadt Blaubeuren mit dem Haushalt 2020 nimmt, halten wir für richtig und unterstützen ihn.

Wir hoffen, dass sich die Gegenwinde in Form der genannten Risiken nicht noch zum Orkan oder noch mehr ausweiten.

 

Dank an Steuerzahler, Ehrenamtliche und Stadtverwaltung

Abschließend möchten wir uns wie immer bedanken bei

–      allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, aber auch bei den

–      vielen ehrenamtlich Helferinnen und Helfern, die sich meist in Vereinen Helferkreisen usw. engagieren.

 

Dank auch an die Stadtverwaltung, hier nochmal an Herrn Stoll mit seinem Team, für diesen „Herkules-Einsatz“ bei der Aufstellung des ersten doppischen Haushalts.

Dem Inhalt des Haushaltsplan (Haushaltssatzung) 2020 stimmen wir zu!

 

Abschließend noch eine Anmerkung mit „Augenzwinkern“:

Kameralismus/Kameralistik geht auf die Wirtschaftspolitik des 16 Jahrh. Zurück.

Der Begriff stammt vom lateinischen camera– d.h. Zimmer und im übertragenen Sinne fürstliche Schatzkammer. Der Begriff des „Kämmerers“ als Verwalter der Schatzkammer leitet sich daraus ab.

Nachdem jetzt ja die Kameralistik jetzt passe ist, müssten wir also nach einer neuen Berufsbezeichnung für Sie (Herr Stoll) nachdenken àVorschlag:  Abendprogramm auf der Klausurtagung

Rainer Federle

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